Vor dem großen Ereignis machen eine kleine Verschnaufspause
19. März
Eigentlich wollte ich heute in das Trainingsrevier der ersten Tage zurückkehren, um dort mit den Mädels zu arbeiten. Eigentlich. Doch nun habe ich ganz kurzfristig alle meine Pläne über Bord geworfen, weil sich über Monsieur D., dem Hunde-Dresseur, die Gelegenheit ergibt, vor allem Darci und Piper im Paar mit anderen (französischen) Gordon Settern zu trainieren.
Diese Gelegenheit lasse ich mir so kurz vor dem Europa-Pokal am kommenden Wochenende nicht entgehen und werde morgen mal eben 90 km südwärts fahren, um die nächsten zwei Tage mit einem professionellen Hunde-Dresseur auf den Feldern zu verbringen. Für ein gutes Hunde-Training ist mir ja (fast) kein Weg zu weit und kein Aufwand zu groß. Bin mal gespannt…
Für heute bekam ich ein "Rendezvous" mit Monsieur R. und seinen Gordons. Wir haben toll mit den Hunden trainiert und Tiia konnte mit einer gleichaltrigen Hündin arbeiten. Und ich erkenne: durch Kontakte ist vieles möglich…
20. März
Ich bin heute irgendwo auf dem tiefsten Land ca. 120 km südlich von Orléans gelandet - Natur pur, mit sehr schlechter Internet- oder Mobil-Telefon-Verbindung. Dafür erweist sich meine neue Unterkunft als ein entzückendes Zimmer mit Frühstück auf einem Bauernhof; es ist ein sog. "Gite d’hôte", dh. Zimmer mit Frühstück. Für schlappe 40,-/Euro/Nacht.
Das von mir erwartete Training mit den Hunden von Monsieur D. erweist sich als völlig unspektakulär: Direkt vor seinem Haus starten wir mit den Hunden in die Suche. Kein Einlaufen, kein Ungehorsam, nur geringe Korrekturen nötig; einfach eine schöne Feldarbeit mit unseren Gordons.
Am Ende des Tages mache ich noch einen Spaziergang mit Kjell. Ganz allein und nur für ihn. Den alten Burschen zieht es auf das Feld, das er mit Feuereifer und in schönen Schleifen absucht. Und es gelingt ihm doch tatsächlich ein "Doppelpunkt"! Vor ihm steigt ein Pärchen Rebhühner auf und seitlich ein Pärchen Rothühner. Ach, ist das schön…
21. März
Es sind noch zwei Tage bis zum Europa-Pokal und ich bin schon recht gespannt auf das Event. Bis es soweit ist, denke ich ein wenig darüber nach, was ich im Laufe der letzten Tage erfahren habe.Man sagte mir, dass in Frankreich jährlich ca. 600-700 Gordon Setter geboren werden. Etwa 30% davon gingen direkt in Jägerhand, wobei die Tradition der Jagd abnehmend sei. Die Rasse Gordon Setter sei in Frankreich seit einiger Zeit recht populär und viele Leute wünschten sich einen solchen Hund als Begleit- und/oder Familienhund. Dementsprechend würde auch produziert. Etliche Gordons würden in Liebhaberhand gehen, einige in die Hände der Dresseure. In der Gordon Setter Zucht sei die Tendenz festzustellen, dass das Hauptaugenmerk in der Zucht sich auf das Exterieur (Aussehen) richte und die Leistungsqualitäten weniger gefragt seien.
Die Dresseure beklagen diese Entwicklung, weil sich dadurch das Niveau der Rasse verschlechtere. Hinzu käme die Tatsache, dass in den letzten Jahren verstärkt einzelne (Leistungs-)Rüden zum Einsatz gekommen seien, so dass man nun wenig Auswahl bei den Verpaarungen hätte. Manche dieser hochprämierten Rüden hätten sich zudem auch nicht erwartungsgemäß vererbt. Neues Blut sei gefragt, um leistungsstarke Nachkommen erzeugen zu können. Dies ist wohl mit einer der Gründe, warum sich Monsieur D. um mich und den schwedischen Hundeführer kümmert – er ist an einem europäischen Austausch interessiert.
Als eine Konsequenz aus der beschriebenen Entwicklung hätten sich deshalb in diesem Jahr nur sehr wenige Gordon Setter auf den Frühjahresprüfungen platziert; die Qualität der (jungen) Hunde auf den Field Trials sei abnehmend. Dem franz. Gordon Setter Club (RASG) entstünde daraus die Schwierigkeit, welche Hunden den nun für die Mannschaft zu benennen seien. Einige Hunde, die bisher sehr erfolgreich waren und die auch über Erfahrung verfügten, an einem solchen Ereignis teilzunehmen, würden nicht in Frage kommen, weil manche Hundebesitzer kein Interesse daran hätten, dass ihr Hund in der franz. Equipe geführt würde.
Oh là, là – sehr interessant…
22. MärzIch habe heute mein Landhaus-Zimmer verlassen (*seufz* – die älteren Wirtsleute waren so was von reizend und so typisch französisch!!!) und meine neue Unterkunft bezogen: ein Haus mit einem eingezäunten Grundstück, ganz für mich allein mit meinen Hunden.
Dafür bin ich ca. 300 km weit quer durch Frankreich gefahren und befinde mich nun nördlich von Troyes; der Veranstaltungsort des Europapokals (Feuges) liegt für mich glücklicherweise nun nur einige Kilometer entfernt, so dass ich morgen nicht allzu weit fahren muss.
Die Vegetation bzw. Landschaft ist hier eine andere: Ich sehe frisch eingesäte Ackerstreifen, die handtuchartig von Flächen durchsetzt sind, auf denen die Saat aufkeimt.
Hier, ohne Deckung, zwischen den jungen Getreidehalmen, soll es Hühner geben? Meine Zweifel werden ganz schnell zerstreut: als ich am späten Nachmittag von meiner Einkaufstour in die Unterkunft fahre, entdecke ich an den Wegesrändern hier und da Hühner. Bei meinem Versuch, sie vom Auto aus zu fotografieren, nehmen sie sofort die Beine in die Hand und machen sich in einem Affenzahn davon. Ob die Hunde sie unter diesen Umständen werden punkten können, werden wir morgen sehen…Ich versuche, möglichst wenig an das morgige Ereignis zu denken, denn so langsam werde ich kribbelig. Meine Gedanken machen sich trotzdem ein wenig selbständig: "… hoffentlich wird es nicht zu warm …", "… werden die Mädels die erwartete Leistung bringen? …", "… werde ich mich gegen die ausgebufften Hundeführer behaupten können?…" usw., usw. Es wäre schön, wenn mehr Gordon Leute aus Deutschland hier wären – dann könnte man sich im Vorfeld wenigstens ein bißchen ablenken (und Worte tauschen wie: "… das wird schon ...", "… die Mädels bringen das, wirst sehen …" oder auch "… die kochen alle nur mit Wasser…").